Wir waren da, an Ostern 1999. Und denken Sie ja nicht, das wäre ein Termin, zu dem man eigentlich mit Bikini und Shorts temperaturmäßig schon overdressed wäre. Man mag es nicht glauben, selbst die Nähe
des Gulf of Mexico und eine südliche Breite vergleichbar mit Kairo liessen das Termometer nur selten über die 20° C Marke klettern. Wenn ich Ihnen sage, dass der Michigan-See bei der Zwischenlandung
in Chicago noch zum Teil zugefroren war, (und dass ich bei meinem Kurztrip in die Stadt jämmerlich gefroren habe, weil ein Blizzard nach dem anderen um meine Ohren pfiff), dann können Sie sich das
vielleicht leichter vorstellen.
Trotzdem, (oder gerade deswegen?) es war schön. Man sollte wissen, dass die Pflanzer vor mehr als zweihundert Jahren sommers nach New Orleans gezogen sind, weil es
da kühler war. (...und die feuchte Hitze für ihre Sklaven übrig gelassen haben, die ja ohnehin froh sein mussten, dass sie arbeiten und leben durften, es könnte ja auch anders sein...). Manch wunderschön
restauriertes Gebäude aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg lässt ahnen, mit welchem Luxus man dazumal seine soziale Stellung zur Schau getragen hat und wieviel Lebenslust doch in den angeblich ziemlich
prüden Stadtgründern gesteckt haben muss.
Die Bands auf der Strasse, die auf einmal mirnichts dirnichts ihre Instrumente aufbauen (sagenhaft, wie man aus einem Blecheimer, einem Kälberstrick und einem Aststück contrabassige Töne zaubert, die eine
fast irre Klangschönheit haben), schon mal anfangen zu spielen, obwohl man erst zu zweit ist. Und wie dann im Laufe der nächsten Minuten aus der Menge da ein Banjospieler auftaucht oder dort einer mit
einem Susafon, der bereits aus der Menschenmenge heraus in die Melodie einstimmt, damit er dann, wenn er seinen Platz erreicht hat, nicht solange auf seinen Soloeinsatz warten muss. Der Blumenverkäufer,
der zufällig (??) seinen Stand an dieser Stelle hat, bekommt auch einen Part und singt mit einer Samtstimme, melodisch und manchmal auch mit kleiner Rauhigkeit, die “Saints”, dass es mir über
den Rücken schauert. Und ein blinder Klarinettist, der von irgendeinem aus der Menschenschar ins Spiel gebracht wird. Auch er stimmt ein, sobald man ihm klar gemacht hat, dass er da stehen kann und dass
sein Sammeltopf platziert ist. Habe ich es mir wirklich so schön vorgestellt? Ich glaube nicht. Das kann man sich nicht ausmalen, das muss man gehört haben. Übrigens, wenn Sie wollen, eine
kleine Hörprobe gefällig? Dann klicken Sie doch mal auf die Band oben.
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