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Eine Woche China!
Das war ein Angebot, das reizend war, aber auch eine gehörige Portion Stress versprach: Fast 9 Stunden Flug, 7 Stunden Zeitverschiebung, andere Kultur, und überhaupt...
Wir nahmen es an!
Die ConexpoAsia, eine der größten Baumessen in Asien, lud ein zur Messe im Jahr 2007 erstmals in Guangzhou.
Guangzhou, eine Neun-Millionenstadt am Pearlriver, Hauptstadt des im Südosten Chinas
gelegenen Distrikts Guangdong, manchen eher bekannt als die alte Handelsmetropole Kanton, knapp 160 km von Hongkong entfernt, versprach Neues und Kurzweil.
Die Reise mit Finnair von München über Helsinki nach Guangzhou verlief planmäßig. Die Ankunft am Flughafen in China unterschied sich in keiner Weise von der Ankunft an
anderen Flughäfen in Europa oder sonstwo. Im Nachhinein: Warum auch!
Erster Gang zur Bank of China und 150 Euro in Remembi (RMB, Yüan) wechseln. Der Kurs war leicht zu
merken: 10 RMB entsprachen ziemlich genau einem Euro. Alle Geldscheine liefen erst durch einen Geldprüfer, bevor sie ausgehändigt wurden, ungewohnt, aber wichtig!
Dann der nächste Schritt: Transport ins Hotel. Der übers Internet gebuchte Shuttleservice war natürlich weder bestätigt
noch da. Also ab zum Taxiservice. Das ging wirklich einfach. Wenige Minuten später und 300 RMB leichter saßen wir im Taxi und lernten auf der knapp einstündigen Fahrt schon mal
die Umgebung der Stadt kennen. Dass keine Sonne zu sehen war, obwohl der Anflug eigentlich schönes Wetter verheißen hatte, konnten wir erst später richtig einordnen. Das Hotel
Royal Mediterranean entsprach der Ankündigung: Vom Feinsten! Seine Lage in einem Stadtviertel, das sich voll dem Computer, dem Handel mit solchen, dem Handel mit
Gebrauchtteilen, der Reparatur der verrücktesten Geräte jeglichen Alters verschrieben hatte, war einfach faszinierend. Augenscheinlich liefen hier sämtliche Handelsfäden der
näheren und weiteren Umgebung zusammen. Anders kann man sich die Unmengen von Kartons, die von hunderten Menschen in alle Richtungen auf total überladenen Handkarren
verschoben wurden, nicht erklären. Man konnte auch zuschauen, wie in kleinsten Werkstätten auf 2 Quadratmetern Motherboards durch
Abklopfen mit einem Schraubendreher auf kalte Lötstellen überprüft wurden: geduldig und so lange, dass wir noch vor Erreichen eines Ergebnisses uns dem nächsten Shop zu wandten, wo
etwa Computermäuse und Tastaturen repariert wurden (!). Auf der Straße saßen Händler am Boden, mit einer Zeitung vor sich, auf der alte
Arbeitsspeicherriegel verschiedenster Provenienz zum Verkauf angeboten wurden, von wegen Antistatik und staubfrei .... Es gab einfach alles und in
jedem erdenklichen Zustand. Preise allerdings wie bei uns, man höre und staune!
Die erste Fahrt zur Messe erfolgte wieder mit dem Taxi, 30 RMB. Erste Pressekonferenz von Caterpillar, Show-Event mit Masken und Trommeln auf dem Caterpillarstand, kleiner Rundgang über ganz neue rote
Teppiche (so neu, dass noch die Plastikschutzfolie drüber war) und Rückfahrt zum Hotel. Der auch hier versprochene Shuttle war nicht auffindbar, Taxen zum gleichen Preis
wie bei der Hinfahrt nicht zu bekommen (alle wollten mindestens das Doppelte) so blieb uns nur, das Angebot eines “freien” Taxis anzunehmen: 50 RMB.
Also ab zum Hotel. Vor dem Ausstieg kam das Schlüsselerlebnis: Erste Geldscheine (5x10 RMB) wurden mit “no good
Money” zurück gewiesen. Nächster Versuch mit einem 100-RMB-Schein ebenso. Erst der 4.(!) Geldschein
fand den Gefallen des Taxifahrers. Er nahm ihn, gab 50 RMB zurück und wir stiegen aus. Der Verdacht, dass
hier was faul war, bestätigte sich an der Rezeption. Man besah sich die drei zurück gegebenen 100-RMB
-Scheine und befand sie als (leicht erkennbares) Falschgeld: Der Fahrer hat die Scheine jeweils außerhalb
unseres Gesichtsfeldes gegen Blüten ausgetauscht, die er dann zurück gab. Dumm gelaufen, alles in allem
200-RMB als Lehrgeld in den Sand gesetzt! Erst dann erkannten wir, dass praktisch alle, die mit Geld zu tun
hatten, jeden 100 oder größer RMB-Schein durch einen Geldprüfer laufen ließen. Die Fälschungen waren so geschickt, dass sie annähernd nur von der Maschine als solche erkannt werden konnten. Moral von der
Geschicht: Mit dem Taxi immer bis direkt vor die Hotellobby fahren, da helfen die Hotelpagen beim Ausstieg und notieren sich die Autonummer des Taxis, eine hohe Hemmschwelle für kleine Betrüger!
Der nächste Messetag mit viel Presseveranstaltung und viel Rundgang verlief schon spürbar ereignisloser und harmonischer. Aus Fehlern
lernt man eben! Auffällig die sehr aufmerksame und oft geradezu ästhetische Standgestaltung. Und immer extrem freundliches Personal.
Der erwartete Kulturschock abends beim Essen blieb vorerst aus. Mangels Sitzplatz in einem zu Fuß erreichbaren Restaurant vertrauten wir uns dem
Hotelrestaurant an, so wie man es in den meisten Reiseführern empfohlen bekommt. War nicht überwältigend, zumindest nicht im Entferntesten mit unserem “Chinesen” zu Hause zu vergleichen. Aber
teuer!
Der nächste Tag zeigte wieder das nun schon fast gewohnte Bild: Irgendwo hoch oben eine ahnbare Sonne,
die es aber nicht, oder zumeist nicht, durch die erschreckend dichte Smogdecke bis zum Erdboden schafft. Trotzdem stand heute die Erkundung zu Fuß auf dem Programm. Die
auf der Übersichtskarte “übersichtliche” Route durch die alte Stadt bis zum Pearlriver entpuppte sich als zwar äußerst sehenswert aber doch mit fast 20 km eher einem
Gewaltmarsch ähnlich. Zum Glück gab es unterwegs beinahe an jeder Straßenecke einen McDonald’s, so dass uns wenigstens leibliche Nöte erspart blieben. Das umso mehr, als uns bei den
verschiedenen Auslagen der Restaurants im älteren Stadtteil vermehrt der Appetit vertrieben wurde. Das ließ den Magen des visuell ungeübten Allgäuers eher im Dreieck springen als
dass das Gefühl des “Muss man einfach probieren” aufkommen konnte. Trotzdem muss man sagen, dass
alles höchst sauber und hygienisch angeboten wurde. Das Personal, das an Straßenständen mit Essen hantierte: Immer mit Handschuhen und insoweit
appetitlich. Auch auf den Straßen kein Unrat, kein Kaugummi, keine Kippen. Nicht mal die bei uns sicher häufigeren Bettler konnte man finden. Dafür wurde
die Straßenüberquerung immer wieder zur Mutprobe: Feige ist, wer auf grün wartet. Es ist auch umsonst, weil ohnehin fast alle die Ampelfarben missachten
(oder sind Chinesen farbenblind?). Wo es wichtig ist, stehen Polizisten, die, im Zweifel handgreiflich, den Schwächeren (das sind meistens die Autos) zu einer
ungehinderten Überfahrt über die Kreuzung verhelfen. Der Pearlriver selbst bot eine wunderschöne, von vielen Menschen besuchte Strandpromenade. Manchmal
unterbrochen von Baustellen blieb doch genug Platz fürs Drachensteigenlassen, anscheinend ein Volkssport der Männer im mittleren Alter. Vor allem die Windverhältnisse rund um die angrenzenden
Hochhäuser boten Herausforderungen für jede Klasse des Könnens. Dass auch Menschen im vor allem unappetitlichen Wasser des Flusses badeten, erfüllte uns mit Verwunderung.
Der Abend konnte dann bei einer sehr romantischen Bootsfahrt auf dem Pearlriver ausklingen. Auch der
Schmerz in den Fußgelenken konnte sich bei mehr oder weniger einheimischer Musik nicht lange halten. Zu erwähnen ist noch die fantastische Sicht auf die wunderschön beleuchteten Häuser am Flussufer. Nicht alleine, dass uns über die ganze Länge der Fahrt (mindestens 10 km) ein blaues Lichtlaufband am Uferkai
begleitete, beinahe jedes Gebäude versuchte durch wahre Lichtkunstwerke die Vorbeifahrenden zu verzaubern. Was es da alles gibt, der Fantasie waren wirklich keine Grenzen
gesetzt. Ob man es mag oder nicht, es war sehenswert! Zurück ging es aus verständlichen Gründen mit dem Taxi (diesmal erfolgte die Bezahlung nach Taxameter und
problemlos). Dieser Abend wurde nun von einem Abendessen in einem chinesischen Restaurant gekrönt. Wahrlich, denn es war gut. Die von der Türsteherin
angekündigte Speisekarte für westliche Gäste enthielt auch einige der Speisen, die es auf der chinesischen Speisekarte
gab. Da alle Speisen abgebildet waren, teils auch in Englisch erklärt, konnte man sich ein Bild machen und
relativ risikofrei bestellen. Das zum Essen angebotene Bier lehnten wir allerdings ab. Niemand, im ganzen
Lokal nicht, trank etwas anderes als Tee, der im Übrigen gratis war. Da wollten wir nicht demonstrativ
westlich erscheinen. Trotzdem, wir waren mit unseren Gerichten so ziemlich einzigartig. Gefühlsmäßig alle anderen aßen etwas anderes. Egal, es war lecker und wir hatten den ersten chinesischen
Restaurantversuch heil überstanden. Den Rückweg ins Hotel, es waren ja nur wenige hundert Meter, wagten wir durch wirklich hinterste und dunkelste Gassen. Der Tag hatte uns mutig gemacht. Und wir kamen,
mehrmals freundlich gegrüßt unbehelligt in die Lobby und in unser Bett im 33. Stock des Hotels.
Die nächsten Tage konnten wir uns das Gelaufe ersparen, wir hatten ja die Oberfläche zur Genüge erwandert, und erprobten die Metro. Kurz gesagt: Ein Genuss! Nicht nur, dass man sich als westlicher
Ausländer, ohne Kenntnisse der chinesischen Schriftzeichen, problemlos orientieren konnte, auch die Bedienung der Ticketautomaten war kinderleicht.
Die Fahrt in der U-Bahn erwies sich als ebenso einfach. Immer wurde man über Fahrtroute und Fahrtziel jederzeit sowohl optisch durch sehr gut
verständliche Anzeigen als auch akustisch durch Ansagen in 4 (!) Sprachen, darunter immer englisch, bestens informiert. Bis auf die höchstwirksame
Klimaanlage mit ihrer unangenehmen und unausweichlichen Blasrichtung also ein voller Genuss. Sauberkeit in den Zügen, Höflichkeit der Mitreisenden und
durch einen verschwenderischen Personaleinsatz immer gewährleistete Sicherheit in den Bahnhöfen sind beachtenswert.
Schließlich die Abreise. Taxi zum Flughafen nur 125 RMB (also weniger als die Hälfte als bei der Hinfahrt.
Merke: Meide den Taxiservice am Flughafen und besteige in eigener Verantwortung das nächste frei, offizielle Taxi in die Stadt. Der Service kostet nur viel Geld und bringt nichts!).
Der Rückflug verlief wieder pünktlich und problemlos. Es war aber schon in gewisser Weise spannend, wenn man so über Sibirien flog, unter sich Städte
vorbeiziehen sah (die Namen gab das GPS her), die man nur aus Berichten, Geschichten, Romanen über die deutschen Kriegsgefangenen kannte. Ob es
wirklich nur die Fantasie war, die einen dann wirklich Geländemerkmale erkennen ließ, die durch Form, Ausdehnung und Lage an ein Gulag erinnerten.
In Helsinki angekommen verschlug es uns die Sprache: Um die mehrstündige Wartezeit auf den Abendflug nach München abzukürzen, machte Finnair das Unmögliche möglich: Trotz
Billigflug ohne Änderungsmöglichkeit buchte uns die nette Mitarbeiterin auf einen wesentlich früheren Flug
um. Durch mehrere Telefonate konnte sie auch noch unsere durch grüne Kofferbänder (glücklicherweise!) sehr auffälligen Gepäckstücke aus dem Haufen für die spätere Maschine herausfischen, und wir kamen
zusammen mit unserem Gepäck wieder wohlbehalten in München an.
Was kann man an neuen Erkenntnissen noch mit nach Hause nehmen? Vor allem die Höflichkeit allerorts, die bei uns in der Form ungewohnt ist:
1. So bekommt man das Wechselgeld nicht einfach in eine Schale geschmissen sondern formvollendet überreicht (wirklich: Mit zwei Händen!).
2. Das Gleiche gilt für Visitenkarten. Sie werden gekonnt mit kleiner Verbeugung übergeben. Die des Anderen wird zumindest aufmerksam empfangen (und nicht einfach ins Etui gesteckt). Das gilt
selbstverständlich auch für alle Formalitäten beim Empfang: Alles (Keycard, Prospekt, Karte des Hotels mit Aufschrift für den Taxifahrer usw.) wird höflichst und immer mit zwei Händen übergeben.
3. Die Kassiererin an den häufigen Brückenmautstellen nimmt das Geld an und, wie schon erwähnt, überreicht das Wechselgeld. Aber sie setzt noch eins drauf: Anschließend beugt sie sich aus ihrem
Häuschen und gibt mit einer überaus eleganten Handbewegung den Weg zur Weiterfahrt frei. 4. Fremde Sprache und fremde Schrift erwiesen sich als problemlos. Alles Wichtige wurde auch in Englisch
angegeben. Der Taxifahrer orientierte sich am chinesischen Aufdruck auf der Rückseite der Hotelvisitenkarte. Ziffern werden ja geschrieben wie bei uns, also war das Ablesen des Taxameters leicht und das
Dazurechnen eines kleinen Trinkgelds ebenfalls. Die Ansagen in der Metro erfolgten in vier(!) Sprachen,
darunter auch immer Englisch in Reinkultur. (Da wird man an Ansagen in der Münchner U-Bahn erinnert, deren Inhalt selbst Einheimische mit fließenden Dialektkenntnissen meist nur erahnen können).
5. Preise niedrig bis normal: U-Bahnfahrt einfach ca. 0,4 - 0,5 Euro, Essen ca. 6 Euro, Flasche Bier (Tsingtau
, 0,5 Liter, sehr wohlschmeckend!) 0,4 Euro, Schuhe ab 7 Euro (Qualität ok), PC-Foto-Video-Audio wie bei uns.
6. Persönliche Sicherheit: Völlig problemlos. Leichtsinniges Verhalten haben wir allerdings nicht erprobt, sollte man auch nicht, auch nicht zu Hause!
7. Wasser aus der Leitung ungenießbar (auch nicht zum Zähneputzen!). Dafür gab es aber immer Wasser in Flaschen in ausreichender Menge auf dem Zimmer.
8. Getränke aus der Zimmerbar wie üblich sehr teuer, Rotwein unzumutbar bis ungenießbar! 9. Zimmersafe modern, leicht bedienbar und kostenfrei.
10. Achtung: Wechselgeld ab 100 RMB aufwärts genauestens auf Falschgeld prüfen! Geldversorgung am Besten nur aus dem Geldautomaten (mit Mastercard der heimischen Bank ohne Probleme, vorzugsweise
bei Bank of China)
Eine Woche China (nur?): Es war ein rundum lohnendes Erlebnis! Und wir haben viel dazu gelernt!
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